Lebenslinien
Wir alle haben unsere Lebenslinien, auf denen wir uns wie auf einer Fahrt durchs Leben bewegen. So ist unser aller Lebensfahrt vergleichbar mit einer Fahrt eines Zuges. Wir finden uns in ihm mit unserer Geburt vor. Und einmal wird unsere Fahrt in dieser Welt endgültig zu Ende sein. Dazwischen gibt es viele Halte, wo Menschen in unser Abteil zusteigen, andere uns wieder verlassen. Und manchmal geht es langsam voran oder zu eintönig, manchmal fast zu schnell, oft mit viel Freude, aber auch mit Getöse, leider auch mit Schmerz.
Unser Zug fährt auf dem Gleis des Glaubens an Gott. Auf anderen Strecken zu fahren ist für uns genauso unvorstellbar wie der Aufenthalt in anderen Wagen als dem mit Namen „evangelische Kirche“. In diesem Zug, vor allem in diesem Wagen begegnen wir vielen Menschen. Mit unserer Familie, weiteren Verwandten und lieben Freunden bewohnen wir ein Abteil, sind besonders füreinander da und machen manches zusammen. Doch geht jeder auch seinen eigenen Interessen und Hobbies nach: der Musik, dem Nachsinnen biblischer Texte, Vereinstätigkeit, dem Fotografieren und vielem mehr.
Mit dieser Internet-Seite gewähren wir einen winzig kleinen Einblick in unser Abteil.
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Gedanken zum Monatsspruch Juni 2023, Gen 27,28
Mehr als früher ist in den letzten Jahrzehnten das Verlangen nach dem Segen gewachsen. Das zeigt sich nicht nur im Buchhandel an der Fülle von Geschenkbüchern, Kalendern oder Postkarten mit Segenssprüchen für sämtliche Anlässe, wobei besonders irische Segenswünsche sehr beliebt sind, in denen jedoch Gott meist gar nicht mehr vorkommt. Da findet man gute Wünsche für alle Lebenslagen und Situationen. Dennoch ist den Menschen der kirchliche Segen oft eine Herzensangelegenheit. Warum? Nun, im Einzelnen gibt es dazu viele verschiedene Gründe. Doch wird er insbesondere begehrt in Begegnungs- und Abschiedssituationen, wie z.B. vor Reisen und Trennungen, bei Umbrüchen oder an Wendepunkten im Leben, in Ängsten. Ihnen liegt eine tiefe Sehnsucht zugrunde nach Bewahrung, Besserung der Lebensverhältnisse, Glück und Wohlbefinden. Diese Menschen „spüren“, dass sie durch den Vollzug des Segens in einen Beziehungsraum mit Gott treten, auch wenn sie diesen Gott kaum kennen, und dass in diesem Beziehungsraum ihr eigenes Leben sich ihnen zumindest verdeutlicht und dieser Raum von Verheißungen erfüllt ist.
Im Spruch für diesen Monat aus Gen 27,28 geht es auch um den Segen. Er lautet: Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Wein die Fülle. Mit diesen Worten spricht der greise Isaak, der Sohn Abrahams, seinem Sohn Jakob den Segen Gottes zu. Wie unschwer zu erkennen ist, wird Jakob verheißen, dass er all das bekommt, was die Fruchtbarkeit seines Ackerlandes und die Früchte seiner Arbeit steigert. Der Segen zielt darauf, dem Sohn die Sicherung und Steigerung seines Lebens zuzusprechen. Es sind sehr alte Worte aus einer Zeit, da das Leben damals unmittelbar von der Natur und vom Ackerbau abhing.
Der Segen kommt von Gott; Isaak spricht ihn quasi als sein Werkzeug aus. Für Isaak ist er unverfügbar und natürlich auch für Jakob. Und so verhält es sich auch generell mit dem Segen. Unser Segnen ist daher immer auf Gott, die Quelle des Segens, angewiesen. Deshalb kann mit der erhofften Wirkung nur gesegnet werden, was Gott segnen will, und nicht gesegnet werden, was Gott nicht segnen will. So kann ich mir nicht vorstellen, z.B. einen Gewalttäter mit dem Zuspruch des Erfolges zu segnen, wohl aber ihn in seinem Bemühen, auf Gewalt nunmehr zu verzichten und den begangenen Schaden wieder gut zu machen.
Erfurt: Elektra - Premiere am 08.10.2022
Wenn sich der Vorhang öffnet, blickt man in einen bühnenfüllenden und bis auf die Hinterbühne reichenden grauen (Autobahn-)Tunnel mit Seitenausgängen rechts und einem kleinen Seitenpodest links, dessen Zugänge in die Welt der Chrysothemis führen.
Die fünf Mägde sind als Tunnelarbeiterinnen kostümiert, Elektra ist mit ihrem Koffer beschäftigt, in dem sich das Beil und der Mantel von Agamemnon befinden, den sie überstreift, bis Orest sie daraus befreit.
Gleich ein mehrfaches Déjà-vu! Der Tunnel und die wie Tunnelarbeiter kostümierten Nibelungen im Berliner Götz-Friedrich Ring; Koffer und Mantel für Elektra, der Rollstuhl für Klytämnestra wie in Lauffenbergs Wiener Elektra-Inszenierung. Sie alle passen, szenisch wie musikalisch, hier. Vor allem der Tunnel(trichter) entspricht der monumentalen Klangfülle und wirkt zugleich stimmenverstärkend.
Die die düstere, spannungsgeladene Bedrohung, die sich schon am Beginn in dem mächtigen Orchesterschlag (d-moll-Akkorde, Agamemnon-Thema) manifestiert, brach im Verlauf jedoch immer wieder ein. Für mich jedenfalls hat sich die sprichwörtliche „soghafte Wirkung“ zwar bildlich, aber musikalisch nur phasenweise eingestellt. Wohl vor allem deshalb, weil Alexander Prior, 29 und neuer GMD des Philharmonischen Orchesters Erfurt, verstärkt durch Mitglieder der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach, an einigen Stellen auffällig langsame Tempi wählt. Auffällig in Elektras Monolog, späterhin fallen Generalpausen als spannungsstörend auf und vor allem die zu getragen zelebrierte Schlusstakte.
Es war Jessica Rose Cambio, als Chrysothemis die mit ihrem Auftritt für den ersten Spannungsschub des Abends sorgte. Die Partie liegt voll in ihrer stimmlichen Reichweite.
Erfurt 01.03.2020: Lohengrin
„Ein Wunder! Ein Wunder! Ein Wunder ist gekommen…“
Für die Protagonisten, Margrethe Fredheim und Uwe Stickert, grenzt es vielleicht wirklich an ein Wunder, dass sich ihre Herzenswünsche, Elsa und Lohengrin singen zu dürfen, erfüllt haben. Es ist für beide die erste Wagner-Partie und die Debüts gelangen!
Uwe Stickert kenne ích seit vielen Jahren als Solist in Oratorien, Passionen, Kantaten und Motetten und staunte, als ich von seiner Besetzung erfuhr. Da erst begann ich zu realisieren, dass er quasi „nebenbei“ eine sehr kluge Entwicklung im Bereich der Oper genommen hat: über Rodrigo, Ferrando, Ernesto (Weimar), Tamino, Belmonte (Weimar und Erfurt), Don Ottavio (Münster), David , Steuermann (Budapest), Titus und Idomeneo (Würzburg ), Flamand (Innsbruck), Heinrich (Lanzelot) in Weimar und Erfurt und einige weitere Rollen aus dem französischen Repertoire (Gounod, Meyerbeer). Uwe Stickert ist längst in der Oper angekommen. Im März folgt der Florestan in Cottbus.
Seine helle Stimmfarbe mit metallischem Kern, der zur Attacke fähig ist, seine perfekte Phrasierung, seine strahlenden nie gefährdeten Höhen und absolute Wortverständlichkeit machen seinen Lohengrin zum Genuss!
Margrethe Fredheim als kongeniale Partnerin mit schon nicht mehr „nur“ lyrisch-leichtem, sondern starkem, strahlendem Sopran meistert die Partie ebenso gut. Wie richtig, dass Intendant Guy Montafon ihr sie zugetraut hat. Es ist die bisher größte Rolle der gebürtigen Norwegerin, die seit der Spielzeit 2015/16 zum Erfurter Ensemble gehört.
In einem Interview mit der Thüringer Allgemeinen Zeitung vom 31.1.2020 ist nachzulesen, dass Wagner für sie überhaupt der Grund gewesen sei, warum sie Sängerin wurde – nach einer Tannhäuser-Aufführung in Oslo war das alternativlos. Aber der große Respekt vor ihm ist geblieben. Drei Stunden ist Elsa auf der Bühne, da sind volle Präsenz und Konzentration erforderlich. Optisch bleibt sie in der Inszenierung, anfangs barfuß im weißen Kleid, die Menschlichste unter seltsam gleichgeschaltet wirkenden „Cyborgs“ der Zukunft.
Weimar 12.05.2018: Tannhäuser
Es gibt doch noch Neues unter der Sonne! Zumindest, was den Venusberg betrifft. Meinte ich noch, schon alles gesehen zu haben - das rüschige Boudoir (sehr oft!), die pure Rotlichtszene, aber auch eine Venus im Tierkäfig (Baumgarten, Bayreuth), als männermordender Vamp in einer riesigen goldenen Schale (die Dresdner sagten „Suppenschüssel“ dazu) und in einem Berg von Fleisch (aktuelle Münchner Inszenierung von R. Castellucci) - so wurde ich von Maximilian von Mayenburg eines Besseren belehrt.
Als sich der Vorhang zum Baccanal öffnet, starre ich ungläubig auf kugelrunde, große, rot geäderte Eier. Plötzlich zuckt es in einem Ei und es beginnt ein Schlupfvorgang, nach und nach auch in den anderen zehn oder zwölf. Dazwischen sitzt Venus (Sayako Shigeshima) in einem weiten, roten, mit Rosenapplikationen verzierten Rock und schaut mit seligem Lächeln zu. Sie schlüpfen - und wie sie schlüpfen! Mit welcher Mühsal und Grazie zugleich sie sich der Latex-Eihüllen entledigen, dafür verdient die Statisterie besonderen Applaus! Schade, dass ich darüber die Musik gar nicht mehr wahrgenommen habe, ihr Pulsieren, ihr e fiebrige Sinnlichkeit und ihre prickelnde Erotik.
Die androgynen Wesen kriechen dann unter den weiten Venus-Rock und vergnügen sich dort sichtbar pulsierend.