Ein schottischer Pfarrer hatte eine blendende Idee, um zu mehr Geld für die Armen und Bedürftigen zu kommen. Er verbarg im Kollektenkörbchen ein Tonbandgerät. Jedes Mal, wenn im Gottesdienst eine zu leichte Münze eingelegt wurde, erschall aus dem Innern des Körbchens die Frage: „Na, ist das wirklich alles?“
Gewiss löste das bei den Besuchern unterschiedliche Reaktionen aus. Manche ärgerte es sicherlich, so genötigt zu werden. Ich bin mir sicher, dass manche aber auch ins Nachdenken kamen darüber, wie reich ihr Leben eigentlich ist. Es ist ja so, dass die Menschen meist gedankenlos all das Gute und Reichliche in ihrem Leben als etwas ganz Selbstverständliches betrachten. Sie sehen zwar die Not und Bedürftigkeit anderer, aber es führt oft nicht dazu, mit den Augen dieser Menschen einmal sein eigenes Leben zu betrachten. Dann sähen sie all das Gute, das Reiche und all die Segnungen in ihrem Leben.
Jesus Sirach - ein frommer, jüdischer Schriftgelehrter um 180/190 vor Christus - war besorgt über Neuerungen durch die Herrschaftsübernahme der Seleukiden in Palästina. Es drangen in die jüdische Religion fremde Sitten und Gebräuche ein. Sie wurden zunehmend zu einer Gefahr für sie und das jüdische Volk. Ganz im Sinne der weisheitlichen Tradition lehrte er nun über das menschliche Schicksal, über die Jugenderziehung, über das Glück des Menschen und seine Todesstunde. Seine Botschaft: Leben gelingt und die göttlichen Verheißungen werden sich erfüllen, wenn den zersetzenden Neuerungen durch das Festhalten an der göttlichen Ordnung und dem Befolgen seines Willens widerstanden wird. Die Sammlung der weisheitlichen Sprüche des Jesus Sirach wurde zwar nicht mehr mit in die Bibel aufgenommen, ist jedoch unter der Bezeichnung „Jesus Sirach“ Bestandteil der christlichen Überlieferung.
Der Spruch für den Monat Oktober ist von diesem Hintergrund her zu verstehen. Er lautet: Ehre Gott mit deinen Opfern gern und reichlich, und gib deine Erstlingsgaben, ohne zu geizen. (Sir 35,10)
Deutlicher wird sein Sinn bei textgetreuer Übersetzung: Gib dem Höchsten entsprechend seinen Gaben (an dich) und gib mit fröhlichen Augen, so wie es deine Hand vermag.
Gaben, die das eigene Leben reich, glücklich und zufrieden machen, werden leider oft kaum wahrgenommen. Jetzt im Herbst feiern wir Christen Erntedank. Da sind wir alle besonders eingeladen, in den Blick zu nehmen, was uns übers Jahr alles geschenkt ist – ob ohne unser menschliches Zutun allein von Gott oder in der Verquickung mit menschlicher Arbeit. Und wir sind eingeladen, Gott dafür zu danken, wie gut es uns geht. Es liegt dann nahe, unseren Dank auch dadurch auszudrücken, dass wir gern von dem Reichtum zurückgeben, den wir haben, an solche, die in Not sind.
Es ist eben nichts selbstverständlich. Dass ich jeden Morgen wieder erwache, aufstehen kann und halbwegs gesund bin. Dass ich eine warme Wohnung und reichlich zu essen habe. Dass mir liebe und helfende Menschen begegnen, ich meine tägliche Arbeit schaffe, Kultur genießen und einen Ausflug oder Urlaub machen kann. Dass ich einen Gott habe, der mich in allen Höhen und Tiefen des Lebens begleitet und mir hilft, und vieles mehr. Hinter allem, was wir leisten und zu tun vermögen, da steckt Gott dahinter, der doch dies alles ermöglicht, der aber auch will, dass wir von unserem Reichtum abgeben. Gottes Gaben teilen und weitergeben. Das ist das Markenzeichen der Christen von Anfang an. Reich sein bedeutet deshalb, die Chance zu haben, anderen zu helfen. Und Reich-Sein macht sich nicht nur am Materiellen fest. Manche haben z.B. Begabungen und Fähigkeiten, die andere nicht haben, haben Zeit, die anderen fehlt. Sie gern und reichlich einsetzen und nutzbar machen für die Mitmenschen und die Gemeinschaft, auch das gehört zum Markenzeichen der Christen.
Die Schweizer erinnern sich an dies alles mit ihrem Geld. Das 5-Franken-Stück hat die Randprägung „Dominus providebit“, das heißt: Gott, der Herr, sorgt vor. Und auf dem 100-Franken-Schein ist St. Martin abgebildet, der seinen Mantel mit einem Bettler teilt. Wenn diese Erinnerung, dieser Denkanstoß auch nicht so aufdringlich wirkt, wie das sprechende Kollektenkörbchen des schottischen Pfarrers, so wollen doch beide darauf hinweisen und dazu einladen, was Jesus Sirach so ausdrückte: Ehre Gott mit deinen Opfern gern und reichlich, und gib deine Erstlingsgaben, ohne zu geizen.