Das Rheingold (14.8.2013): Göttliche Musik in trashigem Milieu

Trash – ein Wort, das bisher nicht zu meinem Sprachschatz für Rezensionen und Kritiken gehört hat. Doch jetzt lässt es sich nicht mehr vermeiden. Wikipedia weiß, dass dieser Begriff „als Lehnwort der Postmoderne ein kulturelles Produkt mit geringem geistigen Anspruch“ bezeichnet, „an dem gerade der Aspekt der Geistlosigkeit genossen wird. Auch übt die oft unfreiwillige Komik eine große Faszination auf die Konsumenten aus.“ Oha!

Die Rheintöchter Mirella Hagen und Julia Rutigliano mit vollen, klangstarken Stimme und – besonders prächtig - Okka von der Damerau mit sattem Timbre als Flosshilde, nehmen zu den Klängen des Vorspiels (selten rauschte der Rhein so schön…) ihre Dessous (Arbeitskleidung!) von der Wäscheleine. Ihr Pool steht vor einem Motel mit angeschlossener Tankstelle irgendwo im Nirgendwo der Route 66. Doch gebadet wird nicht! Alberich, zunächst zugedeckt auf einer Campingliege, darf sich zwar bis auf die Unterhose ausziehen (lassen), aber auch ihm ist der Pool nicht vergönnt. Stattdessen darf er eine gelbe Plastikente auf Rädern tragen, die von hoher Bedeutung ist, denn er wird mit deren Schnur am Ende der 3. Szene gefesselt. Wenn er mit Würstchen und Ketchup in der Hand die Liebe verfluchen muss, tut er einem nur noch leid. Er flieht den Ort in eine goldene Rettungsdecke eingewickelt. Rheingold…???

Die 2. Szene ist unglaublich langweilig. Die Öde der Dekoration und die Belanglosigkeit der Szene veranlassten meine Sitznachbarinnen, schon hier und wann immer beleuchtungs-technisch möglich, nach der Uhr zu schauen. Nichts weckt das Interesse, an die Videos haben sich alle längst gewöhnt. Auf der LED-Wand sind die Rheintöchter auf einem XXL-Bett zu sehen, jederzeit zu Wotans Verfügung. Die Ähnlichkeit von Freia und Fricka, von denen er auch nicht lassen kann, entlockt höchstens ein müdes Lächeln. Ehrlich, mir ist es egal, woran Wotan denkt, das muss ich nicht auf der Videowand sehen. Ich habe Phantasie genug.

Musikalisch ist dieses Rheingold bis jetzt großartig. Doch nun geht es nach Nibelheim, und dank Festspiel-Newsletter vom 19.8. kann jeder wissen, wie dessen Klang gemacht wird:
„Im kleinen Chorsaal spielen neun Musiker – vom Profimusiker bis zum musikaffinen Festspielmitarbeiter – den Part der Ambosse ein. Dirigiert werden sie von Solorepetitor und Musikalischem Assistenten Wolfgang Wengeroth, der über einen Monitor „Ring“-Dirigent Kirill Petrenko aus dem Orchestergraben immer im Blick hat. Über neun miteinander verkabelte Mikrofone – ein Mikrofon pro Schlagwerk – wird das Hämmern zeitgleich in den Zuschauerraum zugespielt. …Neben drei klassischen Ambossen wird auf jeweils drei Teilstücken von Stahlträgern und Kranschienen gehämmert. Die Klänge der einzelnen Metallteile werden durch verschiedene unterlagen und Materialien, wie Gummimatten, Polster oder Magneten, gedämpft und modifiziert. Bis ins winzigste Detail ist alles durchgeplant, die Werkzeuge sind nummeriert und die verschiedenen Anschlagstellen markiert. Die gesamte instrumentale Zusammenstellung ist das Ergebnis eines monatelangen Findungsprozesses sowie zahlreicher Recherchen und sehr intensiver Probenarbeit mit dem Dirigenten Kirill Petrenko, der akribisch nach den passenden Klängen suchte. …Zwar hatte Richard Wagner doppelt so viele Ambosse, also18 an der Zahl, vorgesehen, doch kann dieser Eindruck und die Dynamik heute über technische Regler gesteuert. Werden . So wird im Lautstärkenbereich des „mezzo forte“ gehämmert – auf Gehörschutz darf daher verzichtet werden!“
Danke für den Einblick, liebe Mitarbeiter, aber es hat mir nicht gefallen, denn die immer kreischender und schriller werdenden Hammerschläge am Ende der 2. Szene waren keine Musik mehr. Wotan und Loge sind da natürlich nicht in Nibelheim, sondern immer noch an der Tankstelle und dort hat eben ein aus Blech „geschmiedeter“ Campinganhänger gehalten, offenbar Wohnstätte von Alberich und Mime. Mime (Burkhard Ulrich) trägt einen goldenen Anzug (sicher aus der Rettungsdecke genäht), Alberich (Martin Winkler) wenigstens ein goldenes Sakko. Er leistet an diesem Abend Hervorragendes! Wird sein erster Fluch noch durch die Szene banalisiert, so schafft er es am Anfang der 4. Szene, wenn er von der Entenschnur befreit ist und wie Wotan und Loge im Campingstuhl sitzen muss, doch einen grandiosen Fluch zu singen, der vieles vergessen lässt. Nur nicht das grausige Quietschen des Campingstuhls!

Gelegentlich wird die Videowand doch noch zur erlösenden Abwechslung. Sie ermöglicht den Blick in das Innere des Wohnwagens - dort verwandelt sich Alberich in Schlange und Kröte; in das Innere des Motel-Zimmers - da liegt Freia auf dem Bett und ist mit Goldbarren bedeckt. Man sieht ins Innere von Räumen, quasi hinter die Bühne, sieht Großaufnahmen der Sänger. Das ist (live von Andreas Deinert und Jens Crull) gut gemacht, das Opernglas kann man getrost zu Hause vergessen. Aber auch hier ist viel manchmal des Guten zu viel. Wie bei Erda (Nadine Weissmann), deren Auftritt dem Publikum so manchen Lacher entlockt, weil sie verrucht und verraucht ist, auch eine „von denen“ – was für ein Klischee! Was hat der Mann Castorf denn für ein Frauenbild?!

Zum Finale „rocken“ seltsame Typen im Tankstellenshop, der Verkäufer (Castorfs Regieassistent Patric Seibert in stummer Rolle) gießt Benzin aus, aber Loge zündet es nicht an. Die Götter stehen auf dem Dach, Wotan (Wolfgang Koch) singt schön und von großen Dingen, die darf sich dann jeder denken. Es passiert natürlich nichts, nur die Rheintöchter schwimmen auf der Videowand herum und das nimmt kein Ende.

Zugegeben, das Großartige („zur Burg führt die Brücke“) mag Wagner mit einem Hauch Ironie (wohin führt das?!) komponiert haben – Loge (Norbert Ernst) lässt es ahnen. Loge ist, was er muss: zwielichtig (wie alles und alle). Aber die anderen, das sind bei Castorf keine Götter, bei denen es menschelt. Das sind Menschen, die hoffnungslos gestrandet sind, festgefahren. Von dem Dach der Tankstelle gibt es jedenfalls keinen Weg - nirgendwohin.

Nichts von dem, was ich an diesem Abend gesehen habe, ist witzig oder sarkastisch, es ist für mich einfach nur: bäh! Mit meiner Welt hat das alles nichts zu tun. Mit meiner Ästhetik auch nicht. Und mit der Oper „Rheingold“?! Wagners Musik „verkündigt“, vermittelt Botschaften. Dazu bedarf sie des passenden szenischen Milieus. Das wird ihr hier nicht zuteil.

Trash an der Route 66, das ist zu sehen. Waren dieSixties in den Staaten wirklich so albern, fad, billig, abstoßend, sinnentleert, banal? Das Leben ein Comicstrip, den ich mir nie kaufen würde? Vielleicht ist Castorfs Ring gar nicht nur trash, sondern eine böse Veralberung des Publikums? Jedenfalls haben sich viele am Buhgewitter beteiligt.

Bei Wikipedia heißt es weise: „Die Anwendung des Begriffes (trash) ist umstritten und schwierig einzugrenzen. Was der eine Betrachter als Kitsch, als Gipfel der Geschmack- und Geistlosigkeit ansieht, birgt für den anderen tiefen künstlerischen Wert. Dies gilt besonders bei Trash, der zum Kult geworden ist, da hier die rein subjektive Einschätzung das Maß setzte.“

Über die Musik besteht kein Zweifel, auch nicht an ihrer Interpretation. Kirill Petrenko bekam an diesem Abend den stärksten Beifall, nach ihm Alberich, Loge und Mime.

 

Der geteilte Ring (wenn zwei sich eine Eintrittskarte teilen)

Die Walküre, 2. Akt, 15.8. : Aktion oder Video – eines ist immer

Das Bühnenbild (Öl-Bohrturm, Baku, Ende 19. Jahrhundert mit Wirtschaftsgebäuden) hat etwas. Es ist hervorragend gemacht (Aleksandar Denic). Aber es hat nichts mit der Oper zu tun.
Wotan trägt Bart und sieht damit aus wie ein russischer Revolutionär im ausgehenden 19.Jh, liest die „Prawda“ und Fricka (Claudia Mahnke) scheint aus einer anderen Welt zu kommen – wie eine Prinzessin aus 1001 Nacht (aber mit Peitsche). Soll das ein Witz sein? Scheherazade erzählt ein Märchen von der Ehe?

Ich bemerke eine in mir aufkommende Phobie. Jedes Tor, das geöffnet oder geschlossen wird, jede größere Stoffbahn könnte eine Projektionsfläche sein. Und tatsächlich: Das Gespräch Wotan-Fricka hält Castorf ohne Bilder nicht aus. Aktion oder Video – eines ist immer.

Brünnhilde muss während des Wotan-Monologes arbeiten. Hört sie ihm überhaupt zu? Wie soll eine Beziehung zwischen beiden entstehen, wenn sie doch hoch konzentriert etwas aus einem Fass in Flaschen abfüllen muss. Meine Russischkenntnisse kommen zum Einsatz: Es ist Nitroglyzerin, flüssiger Sprengstoff. Das Video zeigt später auch eine Sprengung, es zeigt überhaupt Sachen, die mit der Walküre nichts zu tun haben. Ablenkung oder Regieersatz?

Siegmund (Johan Botha) und Sieglinde (Anja Kampe) erreichen den Ölbohrturm, der Boden ist mit Zeitungsblättern bedeckt, raschelt. Der Kampf zwischen Siegmund und Hunding (Franz-Josef Selig) findet in dem scheunenähnlichen Wirtschaftsgebäude statt und wird natürlich per Video übertragen. Dazu hängt am Bohrturm ein weißes Tuch, darauf sieht man die Morde (Wotan mordet auch Hunding, der Stalin seltsam ähnlich sieht). Hier ist der Effekt groß. Siegmunds Blick, seine Lippen formen die stumme Frage nach dem Warum. Die Kamera fängt diesen Blick ein, der zu brechen droht, aber sieht noch Wotan (ohne Bart), der eine Zigarette raucht und den Tod seines Sohnes verantwortet.

Zu seinem finalen Wutausbruch gegen Brünnhilde werden die Gesichter der Toten wieder und wieder in Nahaufnahmen gezeigt. Aber die Musik hat das alles sowieso schon in sich.

Musikalisch großartigste Stellen im 2. Akt: die Trauer von Brünnhilde am Ende der 2. Szene, die Ankunft von Sieglinde und Siegmund („Siegmund ist dir Gesell…“) und die magische Todesverkündigung. So viel Ausdruck! Dieser Dirigent lässt Gefühle zu. Ich höre bei Thielemann, dass er denkt. Bei Petrenko spüre ich, dass er fühlt. Nie gibt es ein „Hört her“, ein Musizieren mit Generalpausen-Ausrufezeichen. Nein, alles, was wichtig ist, das ist einfach da. Auch bei Brünnhilde (Catherine Foster). Sie singt unbeeindruckt von der Szene, völlig unangestrengt, dazu mit geradezu mädchenhafter Stimme, in einer seltener Klarheit und Verständlichkeit.

Mein Mann erzählt nach dem 3. Akt: „Zum Walkürenritt sitzen die Damen auf der Dachterrasse und trinken.“ Was trinkt man eigentlich in Aserbaidschan auf der Ölplattform? Vermutlich Hochprozentiges.

 

Siegfried, 3. Akt, 17.8.: Krokodilsterben?

Bert Neumann, der als Bühnenbildner mehr als 20 Jahren mit Castorf zusammenarbeitet (warum fehlt dann sein Name auf den Besetzungszetteln?) beschreibt die Arbeit mit ihm folgendermaßen:

„Castorf kommt auf die Probe, ohne sich etwas vorgenommen zu haben. Das heißt, er lässt auf der Probebühne Raum, Schauspieler, Kostüme und Text auf sich wirken und setzt dann seine Fantasie in Gang. Also: Das Team ist dabei, wenn er laut denkt und Vorgänge erfindet. Seinen spontanen Gedankengängen und –sprüngen zu folgen, ist spannend und lustvoll. …Das gilt für seine Theaterarbeit, in der Oper wird das notwendigerweise anders funktionieren.“ (Nordbayerischer Kurier, 17./18.8., S.11).

Es funktioniert aber nicht(s).Kein Mensch kann die Bedeutung des Vorspiels zum 3. Akt verstehen, wenn ein derangierte Wotan im Smoking lässig unter der Weltzeituhr raucht. Die Pauke nutzt jede Chance, aus dem f ein ff zu machen. Wala unter der Weltzeituhr! Sie kommt natürlich aus der U-Bahn und ist nach wie vor vom horizontalen Gewerbe. Am Ende der Auseinandersetzung mit Wotan geht sie ab, es erscheint eine bis auf die Haarfarbe (jetzt blond) identische Erda, die sich vor Wotan zum blowjob niederlässt. Noch Fragen?!

Die Auseinandersetzung zwischen Wotan und Siegfried findet in der Bergkulisse statt. Ja, sie ist toll, die Kulisse, der Mount Rushmore, an dem hier der Kommunismus „klebt“. Dumm nur, dass Wotan und Siegfried meistens auf dem Steg über den Köpfen von Marx, Lenin, Stalin und Mao singen müssen. Da ist die Akustik schlecht, die Koordination mit dem Graben schwierig und die Bedeutung der Auseinandersetzung bleibt unklar. Dass beider Gesichter auf die von Lenin und Stalin projiziert werden, sich dabei allerdings nur Augen und Mund bewegen, nicht die gesamte Mimik, lenkt zusätzlich ab. Beide Gesichter sehen leidend, ja entsetzt aus – was wieder mal nicht passt.

Brünnhilde erwacht im Tal der Betonköpfe. Dort liegt sie unter raschelnder Plastikfolie, die Siegfried (Lance Ryan) mit einer Geweihstange (davon gibt es einen ganzen Berg!) wegzieht. Was ist das für ein Playboy, der sich nicht die Hände schmutzig machen will?!

Kaum ist Brünnhilde erwacht, wird es dunkel (hatte sie nicht gerade „Heil dir, Sonne! Heil dir, Licht! gesungen?!), die Umrisse der 4 Köpfe werden holzschnittartig herausgeleuchtet, aber nicht die Sänger. Die dunkle Bühne macht die Zuschauer müde. Zudem entwickelt sich keine Beziehung zwischen den Protagonisten, keine Nähe, kein spannendes einander-suchen. Beide sind unentwegt treppauf treppab unter Marx und Lenin unterwegs. Wieder einmal hat alles wenig mit dem zu tun, was die Oper ausmacht: spannende Beziehungsgeschichten. W  Wenn/weil nichts mehr geht: Szenenwechsel. Eben noch singt Brünnhilde „sieh meine Angst“, schon steht sie mitten im realen Plattenbausozialismus des Berliner Alexanderplatzes! „Ewig war ich, ewig bin ich…“ vor der Post, in der Siegfried irgend etwas liest. Er bekommt jedenfalls nichts mit, sitzt später einen Biertisch weiter und singt seinerseits von Liebe. Brünnhilde ist aber nicht mehr da, sondern zieht sich um (Brautkleid mit grässlichem Kopfputz), um bei „Sei mein!...So sei es jetzt!“ wieder zu erscheinen. Und schon kommt das Krokodil.

Jetzt werde ich ernstlich böse, denn es kommt nur eines, die Kritikerkollegen vom Premierenabend hatten aber zwei angekündigt, die nicht jugendfreie Sachen machen sollten und den Waldvogel fressen! Und nun nichts von alledem! Dieses harmlose Krokodil hat nur Hunger, Brünnhilde und Siegfried füttern es mit irgendwelchen Brotbrocken und mit einem schwarzen Regenschirm. Das 2. Krokodil ist wahrscheinlich an seiner eigenen Peinlichkeit eingegangen.

Ein Finale gibt es nicht – das läuft leer, weil beide nach der „leuchtenden Liebe“ nur noch irgendwie herumstehen und nicht weiter wissen. Die Zuschauer schon! „Grauenhafter Schwachsinn“ höre ich neben mir sagen, nachdem das Buh- und Pfeifkonzert abgeebbt ist. „Was man sich alles anschauen muss, um gute Musik zu hören!“

Ernstzunehmen ist in „Siegfried“ nichts. Castorf interessiert diese Oper offenbar nicht, so lieblos, wie er mit ihr umgeht. Er nimmt Brünnhilde szenisch die Kraft, wo und wie er nur kann. Mit Frauen und Utopien kann er nichts anfangen. Und Poesie muss für ihn ein Fremdwort sein oder etwas, vor dem er Angst hat.

Deutliche Abstriche macht das Publikum bei Lance Ryan. Er kann Siegfried als Anti-Typ gut, seine Stimme, das Harte, manchmal Ungenaue, fast Gerufene passt dazu und macht nicht glücklich. Wie er singt, klingt immer öfter erzwungen, unkultiviert, nicht schön. Auch nicht kraftvoll. Es gerät ihm alles so plakativ.

Wieder vereint einzig der Jubel für den Dirigenten. Kirill Petrenko dirigiert nicht abgeklärt, ausgewogen, sondern mit sehr viel Druck, manche sagten: fiebrig, immer wieder auch eilig, dicht und ohne Ausruhmomente. Vieles klingt direkt, nicht geheimnisvoll doppelbödig, nie zu leise. Nein, zu Filmmusik lässt er sich nicht verleiten.

 

Götterdämmerung, 2. Akt, 19.8.: Paradoxie und Paralyse

Ost und West nebeneinander: Links ein Obst-Gemüse-Geschäft (Ost) ohne Ware. Die alte DDR-Peitschenlampen geben dieses schmutzig-gelbe, dumpfe Licht korrekt von sich. Rechts eine Dönerbude, geführt von dem bekannten Regieassistenten, mit vollen Regalen (ihr Aufbau nimmt ganze 2 h in Anspruch!). Gutrune (Allison Oakes) hat von Hagen eine Isetta geschenkt bekommen (mit Herz darauf und den Buchstaben S+G darin). Sie steht natürlich rechts, wo der Reichtum ist. Hagen (Attila Jun) ruft mit rauher, unrein klingender Stimme, die sich sehr gewaltfrei anhört (die Hoiho-Rufe vorn an der Rampe überzeugen nicht) seine Mannen – einheitsgekleidete Arbeiter aus dem Osten. Einige halten Schilder mit der Aufschrift HUNGER hoch. Ach, Herr Castorf, sie übertreiben schamlos. Kartoffeln gab es in der DDR immer. Und Kartoffeln sind auch Gemüse! Fragt sich nur, wie sie in den Kinderwagen kommen.

Der hat seinen großen Auftritt in der 5. Szene (in einem Hinterhof mit Treppe und „Plaste und Elaste aus Schkopau“-Werbung). Brünnhilde, Hagen und Gunter beschließen hier Siegfrieds Tod, es geht ums Ganze und das ist auch musikalisch alles andere als einfach (was man hört).

Hier erscheint der allgegenwärtige Regieassistent Castorfs, mit fast nichts auf dem Leib, aber einem Brautschleierfetzen auf dem Kopf und schiebt einen alten Korbkinderwagen mit Karacho die Treppe herunter. Sein Inhalt (Kartoffeln) ergießt sich über die Verschwörer.

Castorf ist ein Augenschinder.

Catherine Foster ist die einzige Lichtgestalt. Sie hat die Kraft bis zum Finale, und zwar ohne dafür die vokale Eleganz opfern zu müssen. Das goldene Kleid, das sie nach ihrer Ankunft bei Gunter (Alejandro Marco-Buhrmester) tragen muss, glitzert allerdings so stark, dass man ihr Gesicht kaum noch erkennen kann.

Auf den 3. Akt verzichteten wir.

Den Weltenbrand gab es am Abendhimmel draußen vor dem Festspielhaus.

Ich liebe es, zu ergründen, was Regisseure herüberbringen wollen. Wenn mich ein Bild, eine Szene fesselt, dann ruhe ich nicht eher, bis ich den Schlüssel dazu gefunden habe. Aber hier finde ich nichts…Musik und Text bleiben außen vor. Synthese findet nicht statt. Banalissimo!

Nichts ist gut. Weil keine Liebe da ist in dieser Regie, weil nichts mit Liebe gemacht ist. Keine Idee trägt etwas aus. Nonstop nonsens. Selbst von den faszinierend gebauten Bühnenbildern bleibt kein positives, erfreuliches Bild hängen.

Castorf, Provokationsexperte, sei drum, wenn es wenigstens passen würde. Wenigstens zur Musik. Das sollte in Bayreuth doch noch möglich sein.

Es gibt noch Regisseure, die anders arbeiten. Stefan Herheim sagte dem „Standard“ in einem Interview: „Ich kenne das Stück sehr gut - das ist die Voraussetzung, um es überhaupt inszenieren zu können. Ich entwickle eine Konzeption immer aus der Musik heraus. Jeder Schritt ist musikalisch gedacht; die Dynamik, die stilistischen Mittel, die Fallhöhe und der Ablauf einer zu inszenierenden Handlung können nur aus der Partitur wachsen und zu theatralem Leben erweckt werden.“ (1. August 2013, derstandard.at, "Das Musiktheater ist mein Tempel", Interview von Andrea Schurian)

Da kommen einem die Tränen vor Dankbarkeit.