Zusätzlich zu seinen Einführungsvorträgen (heuer 30) lädt Stefan Mickisch immer auch zu einem Konzert ein. Diesmal war es natürlich Wagners 200. Geburtstag gewidmet. Der Meister, in Form einer Büste auf der Bühne präsent, wurde (wie Sir Henry Wood in der Londoner Last Night oft the Proms) am Ende mit einem Blumenkranz geehrt. Auch seinen Schluss Applaus widmet Stefan Mickisch Richard Wagner und seinem lebensbejahenden Werk, das, davon ist er überzeugt, deshalb in Zukunft noch stärkere Ausstrahlung haben wird.
Das Programm umfasste 8 Ausschnitte aus Wagners Opernwerk, deren Abfolge klug aufgebaut war: Nach zartem Beginn – wie hingetupft war sein „Lohengrin“-Vorspiel in schwebendem A-Dur – gab es mit einem retardierenden Moment („Siegfried-Idyll“) eine ständige Steigerung bis zum großen Finale der „Götterdämmerung“.
Dazwischen begeisterte Mickisch mit der „Rienzi“-Ouvertüre. Er schlägt den ersten Ton (G) auf dem Steinway so an, dass er genau so klingt wie das über 2x2 Takte gehaltene Trompetensignal, das in der Partitur notiert ist. Nach Ballettmusik aus den „Feen“ spielt er bewunderungswürdig Friedrichs Monolog (Nr.10) aus dem „Liebesverbot“. Ohne den Text präsent zu haben ist jederzeit klar, was in ihm vorgeht – so präzise gibt Stefan Mickisch den sich wandelnden Stimmungen Ausdruck. Seine kurz gehaltenen Erläuterungen bringen manchen Aha-Effekt: Das Friedrich charakterisierende Verbotsthema (Liebesverbot) wird in seiner Umkehrung zum Tristanthema (Liebesgebot).
Neben seinem Können als Pianist faszinieren mich seine Transkriptionen durch die Fülle der hier integrierten Partiturstimmen und ihre Durchhörbarkeit. Schönster Beleg war die „Tannhäuser“-Ouvertüre, Dresdner Fassung. Da glitzert und glänzt es im Venusberg (Flöten) und dann gelingt Stefan Mickisch, was mich immer wieder atemlos staunen lässt - die Synthese von Pilgerchorthema und Venusberg. Im Orchester habe ich spätestens an dieser Stelle immer Mitleid mit den1.+2. Violinen, die über viele Takte endlose Läufe spielen müssen. Hier ist es Stefan Mickischs rechte Hand, die unermüdlich diese Läufe gegen das Pilgerchorthema mit seinen breiten Vierteln und halben Noten (linke Hand ) spielt. Eine Meisterleitsung an Konzentration und Emotion.
Nach der Pause erleben wir aufs neue, wozu Richard Wagner fähig war und wozu Stefan Mickisch fähig ist. Nach den „Winterstürmen“ spielt er einen kühnen Übergang zum Walkürenritt, der dem Publikum einen jauchzenden Aufschrei beim Applaus entlockt. Es folgen „20 Minuten Paradies für Zuhörer“ (Originalton des Künstlers). Er spielt das Siegfried-Idyll, einen großer Sonatensatz, so poetisch wie Schumann – ohne Noten, wie alles an diesem Abend. Danach eine lange selige Stille bis zu neuem begeisterten Applaus.
Schließlich der Kontrast, das das große Finale, nicht zu toppen: Ausschnitte aus der „Götterdämmerung“. Mickisch setzt mit all meinen Lieblingsstellen ein: den Hoiho-Rufen Hagens, dem Begrüßungschor der Mannen bei der Ankunft von Gunther mit Brünnhilde und springt dann zu Alberichs „Zurück vom Ring“, lässt zu Loges Ankunft die Flammen züngeln, das Feuer brennen, die Fluten des Rheins strömen und das Liebeserlösungs-Motiv in Des-Dur wundervoll aufstrahlen. Standing Ovations!
Auf seine Publikumsfrage, welchen Inhalt das Konzert 2014 haben solle, einigen sich die zahlreichen Zuhörer schnell auf Richard Strauss (150. Geburtstag!) und ich hoffe auf möglichst viel Rosenkavalier.